Die Künstliche Intelligenz ist längst in den Alltag eingezogen – und erreicht zunehmend Bereiche, die zuvor fest in menschlicher Hand lagen.
Auch in juristischen Kontexten nutzen immer mehr Menschen Tools wie ChatGPT für die Erstellung von Schreiben – darunter auch für arbeitsrechtliche Erklärungen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Frage, was passiert, wenn ein Arbeitnehmer − oder ein Arbeitgeber − mithilfe eines KI-Systems eine Kündigung verfasst. Ist ein solches Schreiben überhaupt wirksam?
KI im Arbeitsleben: Willkommene Unterstützung oder juristisch problematisch?
KI-Textgeneratoren wie ChatGPT bieten den Nutzern die Möglichkeit, in wenigen Sekunden scheinbar professionelle Texte zu erstellen – darunter auch juristische. Kündigungsschreiben, Arbeitszeugnisse, Vertragsanfragen: Dokumente wie diese können heute per Knopfdruck erzeugt werden.
Der Wunsch nach Unterstützung bei sensiblen Formulierungen ist nachvollziehbar – gerade im Arbeitsrecht, wo jede Formulierung rechtliche Folgen haben kann. Allerdings gilt: Der juristische Gehalt solcher Texte hängt nicht nur von der sprachlichen Qualität ab. Entscheidend ist, ob die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Gerade bei Kündigungen existieren diesbezüglich strenge Vorgaben. Werden diese nicht erfüllt, besteht das Risiko, dass das Schreiben unwirksam ist – mit teils weitreichenden Konsequenzen.
Kündigung per KI: Der aktuelle Stand der Rechtsprechung
Bislang gibt es in Deutschland keine veröffentlichten Gerichtsentscheidungen, die sich ausdrücklich mit einer durch Künstliche Intelligenz erstellten Kündigung befassen. Auch Fälle aus der anwaltlichen Praxis, die dokumentiert wurden, liegen derzeit nicht öffentlich vor. Es handelt sich also um ein theoretisch relevantes, aber rechtlich noch nicht entschiedenes Feld.
Nichtsdestotrotz greifen viele Kanzleien das Thema bereits präventiv auf. Die Zahl der Anfragen zu diesen Themen steigt. Die Rechtsanwaltskanzlei in Nürtingen ist auf solche Fälle ebenfalls bereits vorbereitet– nicht nur im Zusammenhang mit Kündigungen, sondern auch bei Abmahnungen oder Vertragsbeendigungen.
In der Praxis stellt sich dann unter anderem die Frage, ob der Betroffene den Inhalt tatsächlich verstanden und willentlich erklärt hat – ein Punkt, der arbeitsrechtlich besonders relevant ist.
Die Formvorgaben laut § 623 BGB
Ein zentrales Kriterium für die Wirksamkeit einer Kündigung besteht in der gesetzlich vorgeschriebene Schriftform (§ 623 BGB). Demnach muss eine Kündigung:
- in Papierform vorliegen und
- eigenhändig vom Kündigenden unterschrieben sein.
Digitale Textdateien, E-Mails, eingescannte Unterschriften oder SMS genügen diesen Anforderungen ausdrücklich nicht – auch dann nicht, wenn sie inhaltlich korrekt formuliert sind. Das bedeutet: Ein von ChatGPT generiertes Kündigungsschreiben kann grundsätzlich nur dann wirksam sein, wenn es ausgedruckt und dem Arbeitgeber handschriftlich unterschrieben zugeht.
Ein vollständig digital erstellter und übermittelter Text – zum Beispiel per Mail – ist dagegen rechtlich unwirksam, selbst wenn der Inhalt formal richtig erscheint. Es besteht also ein Unterschied zwischen inhaltlicher Richtigkeit und formaler Gültigkeit.
Wer haftet für Fehler im KI-Schreiben?
Die Tatsache, dass ein Kündigungsschreiben mit Hilfe eines KI-Systems erstellt wurde, schützt den Absender nicht vor den rechtlichen Folgen einer fehlerhaften oder missverständlichen Erklärung. Das Bürgerliche Gesetzbuch geht vom sogenannten objektivierten Empfängerhorizont aus: Entscheidend ist demnach, wie der Inhalt der Erklärung vom Empfänger verstanden werden darf (§§ 133, 157 BGB).
Ob die Formulierung durch ein menschliches Gegenüber oder durch ein System wie ChatGPT erfolgte, ist damit irrelevant. Wer ein Dokument unterschreibt und absendet, übernimmt auch die volle rechtliche Verantwortung für dieses. Die spätere Behauptung, dass der Text nicht selbst verfasst oder der Inhalt nicht vollständig verstanden wurde, ändert nichts an dieser Verbindlichkeit – zumindest nach der aktuellen Rechtslage.
KI im Unternehmen: Automatisierte Kündigungen durch den Arbeitgeber?
Ein weiterer Aspekt mit Zukunftspotenzial besteht in der automatisierten Erstellung von Kündigungen durch den Arbeitgeber. Im Rahmen von HR-Softwarelösungen, die zunehmend auf KI setzen, könnten bald auch standardisierte Kündigungsschreiben automatisiert generiert werden. An diesem Punkt ist jedoch besondere Vorsicht geboten: Auch für den Arbeitgeber gelten dieselben Anforderungen an Schriftform und Begründung, insbesondere bei außerordentlichen Kündigungen.
Zusätzlich ist je nach Sachverhalt die Beteiligung des Betriebsrats erforderlich (§ 102 BetrVG). Eine automatisiert versandte Kündigung ohne Prüfung durch die Personalabteilung oder Rechtsberatung birgt daher ein erhebliches Risiko, beispielsweise in Form späterer Kündigungsschutzklagen.
Datenschutz und Vertraulichkeit
Ein weiterer kritischer Punkt bei der Nutzung von KI-Systemen: Der Datenschutz. Wer personenbezogene Daten – etwa Name, Arbeitgeber, Arbeitsverhältnis oder Gehalt – in ein öffentlich zugängliches KI-System eingibt, läuft Gefahr, damit gegen die Datenschutz-Grundverordnung zu verstoßen.
Dienste wie ChatGPT verarbeiten Daten außerdem außerhalb der EU, was zusätzliche rechtliche Probleme aufwerfen kann. Zwar speichern viele Anbieter laut eigener Aussage keine personenbezogenen Inhalte dauerhaft, dennoch besteht keine vollständige Kontrolle über die Datenverarbeitung. Für Unternehmen, die mit der KI sensible Schreiben generieren, ist daher äußerste Zurückhaltung geboten.
Rechtssichere Alternative: Individuelle anwaltliche Prüfung
Natürlich stellt die KI in vielen Bereichen ein hilfreiches Werkzeug dar – sie ersetzt aber keinesfalls eine professionelle juristische Beratung.
Gerade bei einseitigen Willenserklärungen wie Kündigungen, die eine unmittelbare rechtliche Wirkungen entfalten, empfiehlt sich eine fachkundige Prüfung. Dies gilt besonders, wenn Fristen, besondere Schutzvorschriften − etwa bei Schwerbehinderung und Mutterschutz − oder tarifvertraglichen Sonderregelungen in dem individuellen Fall relevant sind.
Zudem lässt sich durch eine professionelle Prüfung vermeiden, dass Formulierungen falsch interpretiert werden. Im Kündigungsfall könnte dies erhebliche Folgen für den Absender haben.
KI ersetzt keine Verantwortung
Auch wenn es derzeit noch keine arbeitsgerichtlichen Entscheidungen zu KI-generierten Kündigungen gibt, ist die Tendenz klar: Der Einsatz solcher Tools wird zunehmen – und damit auch die rechtlichen Auseinandersetzungen darüber.
Schon jetzt gilt allerdings : Wer kündigt – egal, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber –, trägt die Verantwortung für den Inhalt und die Form der Erklärung. Die Nutzung eines KI-Systems ändert daran nichts.
Diejenigen, die auf Nummer Sicher gehen wollen, orientieren sich idealerweise ausschließlich an den aktuell geltenden arbeitsrechtlichen Vorgaben – und lassen im Zweifel noch einmal prüfen, bevor sie das Dokument absenden.