Die hier thematisierte Situation im Rahmen der Google Ads, generell bei pay-per-click (PPC) Werbung, wird auch als Klickbetrug oder Click-fraud bezeichnet. Bezüglich des Klickbetrugs wird insb. auf das UWG als verletztes Gesetz abgestellt. Neben der daraus folgenden Wettbewerbswidrigkeit ist auch das Verhältnis zu bürgerrechtlichen Vorschriften, daraus resultierenden Ansprüchen und evtl. strafrechtlichen Konsequenzen darzustellen, um in Betracht kommende juristische Schritte einschätzen zu können:
Im Jahr 2005 wurde insb. auf § 4 Nr. 10 UWG a. F. abgestellt (Kaufmann, MMR 2005, XV):
- Dieser Tatbestand des Mitbewerberschutzes ist seit der letzten Novelle inhaltsgleich in § 4 Nr. 4 UWG enthalten. (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Fedderse, UWG, 40. Auflage 2022, § 4 Rn. 0.1)
- § 4 Nr. 4 UWG beschreibt explizit, dass die gezielte Behinderung eines Mitbewerbers ein unlauteres Handeln darstellt.
Voraussetzungen für unlauteres Handeln i. S. d. § 4 Nr. 4 UWG:
- Für die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 4 UWG muss zunächst eine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 I Nr. 2 UWG vorliegen. Ein Verhalten muss darauf abzielen, durch „Einwirkung auf die wettbewerblichen Interessen von Mitbewerbern den eigenen Absatz oder Bezug zu fördern“ (Köhler, § 4 Rn. 4.4)
- Genau darauf zielt ein Klickbetrug ab. Die eigene Werbeanzeige kann nun z.B. ohne Konkurrenz veröffentlicht werden oder die Kosten verringern sich.
- Ein Mitbewerber ist nach § 2 Nr. 4 UWG „jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht“.
- Eine Behinderung i. S. d. UWG meint die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten wie Absatz, Werbung, Finanzierung etc. eines Mitbewerbers (vgl. BGHZ 148, 1= GRUR 2001, 1061 (1062); BGH GRUR 2002, 902 (905).
- Letztlich muss noch das Tatbestandsmerkmal „gezielt“ erfüllt sein.
- Demnach ist die Behinderung grds. dann „gezielt“, wenn sie primär auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung gerichtet ist. (vgl. BGH GRUR 2007, 800 Rn. 23).
- Für das Merkmal der gezielten Behinderung bedarf es auch einer Verdrängungsabsicht, wonach der konkrete Mitbewerber in dessen Marktstellung geschwächt werden soll. Zwar kann die Feststellung dieses subjektiven Merkmals schwierig sein, doch wird vom Vorliegen ausgegangen, wenn „die Maßnahme ihrer Natur nach keinen anderen Zweck als den der Verdrängung oder Schwächung des Mitbewerbers haben kann“ (Köhler, § 4 Rn. 4.9; so auch BGH WRP 2015, 714 Rn. 17). Also wenn die Maßnahme selbst nur wirtschaftliche Nachteile in Form von Kosten verursacht, welche erst ausgeglichen werden können, wenn die Beeinträchtigung des Mitbewerbers eingetreten ist (vgl. OLG Hamm GRUR-RR 2020, 523 Rn. 7).
- Genau nach diesem Prinzip funktioniert das System des Klickbetrugs. Denn erst, wenn z.B. das Tagesbudget des Konkurrenten für Klicks erreicht ist und damit seine wettbewerbliche Entfaltung beeinträchtigt ist, gleicht sich der Aufwand durch bessere, günstigere, etc. Anzeigeplätze aus.
- Daneben kann eine gezielte Behinderung auch dann vorliegen, wenn die Maßnahme zwar auch der eigenen Absatzförderung o. Ä. dient, aber dies durch eine unangemessene Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers erreicht werden soll. (vgl. Köhler, § 4 Rn. 4.10)
- Zu erwähnen ist jedoch auch, dass § 4 Nr. 1 UWG gegenüber § 4 Nr. 4 UWG als die speziellere Norm anzusehen ist. Ein gleichzeitiges oder alternatives heranziehen von § 4 Nr. 4 UWG ist jedoch unschädlich. (Köhler, § 4) Auf die speziellere Norm § 4 Nr. 1 UWG (§ 4 Nr. 7 UWG a. F.) wurde jedoch ohnehin in dieser Konstellation nicht abgestellt.
Situation bei Klickbetrug:
- Ein Click-fraud erfolgt allein und ausschließlich aus dem Grund, den Mitbewerber aus der Trefferliste am Bildschirmrand zu verdrängen. Andere Gründe für den Einsatz von Skripten, die automatisch auf die mit dem Link zum werbenden Unternehmen versehenen AdWords klicken, sind nicht ersichtlich. Mit einem Klickbetrug will der Betreiber ausschließlich den Mitbewerber an der Kontaktaufnahme mit potenziellen Kunden hindern, sodass die Behinderung die eigentliche und finale Motivation ist.
- Dieser Klickbetrug stellt wettbewerbsrechtlich eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern gemäß § 4 Nr. 4 UWG dar. Dabei ist es auch irrelevant, ob der Wettbewerber dadurch selbst in der Trefferanzeige steigt oder nicht. Es geht um die bloße Behinderung. (vgl. dazu Kaufmann, MMR 2005, XV (zu damaligem § 4 Nr. 10 UWG a. F.))
- Der betroffene Mitbewerber (§ 8 III Nr. 1 UWG) hat bei einem Verstoß gegen § 3 I iVm § 4 Nr. 4 UWG insb. Ansprüche aus §§ 8, 9 UWG (insb. Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche). Der Inhaber eines Unternehmens haftet nach § 8 II UWG auch für seine Mitarbeiter und Beauftragten. (Köhler, § 4 Rn. 4.8 f.)
- Eine automatische Unwirksamkeit von Folgeverträgen nach §§ 134, 138 BGB folgt daraus nicht. (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 40. Auflage 2022, § 3 Rn. 10.2 ff.) Soweit möglich kann Schadensersatz nach § 249 I BGB, zumindest jedoch der entgangene Gewinn nach §§ 251 I, 252 BGB, verlangt werden. (vgl. Köhler, § 4 Rn. 4.219f.)
- Erwähnenswert ist auch, dass Google in seinen AGB jede künstliche Erhöhung von Klickzahlen untersagt, weshalb sich zwischen dem „Betrüger“ und Google auch vertragsrechtliche Folgen ergeben können.
- Daneben können auch §§ 823ff. BGB relevant sein:
- Bei unternehmensbezogenen gezielten Beeinträchtigungen ist i. d. R. neben den obigen Ansprüchen aus dem UWG auch ein Tatbestand der §§ 823 BGB ff., insb. des § 826 BGB, erfüllt. (vgl. dazu auch Kaufmann, MMR 2005, XV; ähnlich auch Mankowski, in: Fezer/Büscher/Obergfell, UWG 3. Auflage 2016, Rn. 82) Denn zwischen UWG und § 826 BGB besteht Anspruchskonkurrenz. (vgl. Teichmann, in Jauernig, 18. Auflage 2021, § 826 Rn. 3) Insoweit gelten dann die Verjährungsfristen nach §§ 195, 199 BGB. (vgl. Köhler, § 4 Rn. 4.23)
- Solange kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht nach § 823 I BGB vorliegt, sind die §§ 823ff. BGB neben § 4 Nr. 4 UWG anwendbar. Denn ansonsten ist der bürgerrechtliche Unternehmensschutz subsidiär zum UWG. (Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 3 Rn. 10.7)
- Aber § 3 und § 7 UWG stellen keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB dar. (so Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 3 Rn. 10.9)
Darüber hinaus strafrechtliche Konsequenzen?
- In der Regel ist durch den Klickbetrug auch § 263a StGB erfüllt, da kein Mensch, sondern ein Computerprogramm getäuscht wird und dieses Programm durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflusst wird. Durch die Manipulation des Abrechnungssystems wird wiederum das Vermögen eines anderen beschädigt.
- Die grundsätzliche Möglichkeit eines Computerbetrugs wurde z.B. vom LG Frankfurt/Oder im Urteil vom 10.01.2005 – 12 O 294/04 dargestellt.
- Bislang gibt es kein Gerichtsurteil zur ausdrücklichen Einstufung eines Klickbetrugs als Computerbetrug i. S. d. StGB. Sofern der Klickbetrug auf die Verdrängung bzw. Schädigung eines Kollegen abzielt, stellt sich einzig die Frage, ob der Mitbewerber in der Absicht handelt, sich unmittelbar einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. (vgl. dazu z.B. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB 30. Auflage 2019, § 263a StGB Rn. 26 ff.)
Fazit:
Es kommen also Ansprüche aus dem UWG und ein Anspruch nach § 826 BGB in Betracht. Klickbetrüge sind wettbewerbswidrig und es kann Schadensersatz verlangt werden. Hinsichtlich des „Täters“ sind auch strafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen.
Schwieriger dürfte sich letztlich das Ausfindigmachen des „Klickbetrügers“ darstellen. Zwar hatte Google im Jahr 2006 in den USA einem Vergleich zugestimmt und von Klickbetrug betroffene Unternehmen selbst entschädigt. (Kaufmann, MMR 2006, IX) Dies wird aber wohl kaum in jeder Konstellation unproblematisch zu erreichen sein.