Archiv der Kategorie: Magazin

Schreckschusswaffe, Luftgewehr, Armbrust – die rechtliche Seite

Der Besitz von scharfen Waffen ist in Deutschland streng reglementiert. Nur mit Waffenbesitzkarte und einem großen Waffenschein ist es erlaubt, die tödlichen Waffen in Besitz zu haben. Diese Papiere zu bekommen, ist nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich. Das sagt das Waffengesetz (WffG).
Etwas anders sieht es bei Schreckschusspistolen, Luftgewehren und Armbrüsten aus. Eine Schreckschusswaffe ist eigentlich eine Nachbildung einer echten Schusswaffe, wie ein Revolver oder Pistole. Sie verschießt keine Projektile, sondern funktioniert mit Reizgas oder Kartuschen.
Luftgewehre, auch als Luftdruckgewehre bekannt, und Armbrüste sind eigentlich Sportwaffen. Hier wiederum werden feste Körper, wie kleine Kugeln (
sogenannte Diabolos) und Pfeile mit hoher Geschwindigkeit aus dem Lauf geschossen. Deshalb sind diese Sportgeräte nicht ganz ungefährlich.
Der potenziellen Gefahr begegnet der Gesetzgeber mit einer Reihe von Vorschriften, an die sich jeder zu halten hat. Bußgelder bei Verstößen sind durchaus empfindlich und selbst Freiheitsstrafen können verhängt werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Deutschland hat ein strenges Waffenrecht.
  • Auch für den Besitz nicht tödlicher Waffen, wie etwa Schreckschusswaffen, gelten Vorschriften.
  • Für das Führen dieser Waffen in der Öffentlichkeit braucht es den kleinen Waffenschein.
  • Etwas freier sind die Vorschriften bei Armbrüsten.

Schreckschusswaffe: Nur mit kleinem Waffenschein

In der Bundesrepublik dürfen nur bestimmte Arten von Schreckschusswaffen ohne waffenrechtliche Erlaubnis gekauft werden.
Notwendig ist das PTB-Prüfsiegel. Das ist das Siegel der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Ist es zusammen mit dem Kaliber auf dem Verschluss der Waffe eingeprägt, dann darf ein Erwachsenen ab dem 18. Lebensjahr diese Schreckschusswaffe kaufen und besitzen.
Wenn das PTB-Siegel fehlt oder Waffen nicht den Vorschriften aus der Richtlinie 91/477/EWG entsprechen, dann werden sie als scharf eingestuft. Ihr Besitz ist in diesem Fall nur mit einer Waffenbesitzkarte erlaubt. Liegt die Waffenbesitzkarte nicht vor, dann ist der Besitz dieser Waffe illegal und damit auch strafbar. Damit ist das Führen nur mit dem großen Waffenschein erlaubt.
Allerdings darf auch eine Schreckschusswaffe mit einem Siegel in der Öffentlichkeit, das heißt außerhalb von Wohnung oder Geschäftsraum, nur mit Waffenschein und in einem abgeschlossenen Behältnis transportiert werden. Dafür genügt aber der kleine Waffenschein.
Das Schießen mit einem Schreckschussrevolver ist nur auf sogenanntem befriedeten Besitztum, das bedeutet auf einem abgezäunten Gelände, zulässig. Das gilt auch für Besitzer eines kleinen Waffenscheins. Das Schießen in der Öffentlichkeit ist streng verboten! Es gelten allerdings Ausnahmen, die in Anlage 2 Waffen (WffG) verankert sind:

  • Notstand und Notwehr
  • Signalwaffen bei Rettungsübungen
  • Mitwirkung bei Theateraufführungen
  • Abgabe von Start- oder Schlusszeichen bei Sportereignissen
  • Vertreiben von Vögeln aus landwirtschaftlichen Bereichen und Betrieben. Dabei ist aber die Vogelschreck-Munition erlaubnispflichtig.

Luftgewehr: Der Druck entscheidet

Unter die Vorschriften des Waffengesetzes (WaffG) fallen hier alle Waffen, deren Geschossenergie mehr als 0,5 Joule beträgt. Dieser Wert bezeichnet die kinetische Energie des Projektils. Als Mündungsenergie gilt die Energie, die ein Geschoss beim Austritt aus dem Lauf erreicht.
Als Grenze für den freien Erwerb sieht das Gesetz 7,5 Joule Bewegungsenergie vor. Alle Waffen mit einer höheren Leistung benötigen einen Erwerbsschein und eine Waffenbesitzkarte. Sie sind in Paragraph 2 des Waffengesetzes unter Punkt 2 bis 4 der Waffenliste aufgeführt.
Waffen, deren Geschossenergie zwischen 0,6 und 7,5 Joule beträgt, sind genehmigungsfrei. Sie dürfen ohne Einschränkung an volljährige Personen verkauft werden. Allerdings müssen sie mit dem „F im Fünfeck“ gekennzeichnet werden.
Das Tragen eines Luftgewehres im öffentlichen Raum ist untersagt. Dazu muss ein kleiner Waffenschein vorliegen. Ohne diesen gültigen Waffenschein droht Bußgeld bis zu 10.000 Euro.
Das Waffenrecht beschränkt den Umgang, also das Schießen mit Luftgewehren. Der ist nämlich auf zugelassene Schießstände beschränkt. In bestimmten Ausnahmefällen darf man auch auf einem umzäunten Grundstück mit einem Luftgewehr schießen. Dann muss dem aber der Eigentümer zustimmen. Außerdem gelten Sicherheitsvorschriften: Die Geschosse dürfen das Grundstück nicht verlassen können. Hier sprechen Experten davon, dass als Mindestanforderungen eine Entfernung von 200 Metern in jede Richtung eingehalten werden muss.

Armbrust: Kein Waffenschein notwendig

Laut Anlage 1 Waffengesetz (WaffG) gilt eine Armbrust sehr wohl als eine Schusswaffe. Begründet wird das damit, dass sie in der Lage ist, feste Körper, Pfeile, zu verschießen. Die Kraft für den Antrieb kann mit einer Sperrvorrichtung gespeichert werden. Erzeugt wird sie durch Muskelkraft.
In der Anlage 2 des gleichen Gesetzes ist allerdings festgelegt, dass weder ein kleiner Waffenschein noch eine waffenrechtlichen Erlaubnis für den Kauf und den Besitz einer Armbrust nötig ist. Auch ein Waffenschein braucht für eine Armbrust nicht ausgestellt zu werden. Allerdings muss der Käufer und Besitzer dieser Waffe mindestens 18 Jahre alt sein. Dann darf er sie ohne Einschränkung bei sich führen.
Die Armbrust ist ein Sportgerät und darf auf keinen Fall bei der Jagd verwendet werden. Das ist auch dann strengstens verboten, wenn der Besitzer der Armbrust einen Jagdschein vorweisen kann.

Fazit

Schreckschusspistole, Luftgewehr und Armbrust werden nicht so rigide reglementiert, wie die potenziell tödlichen Handfeuerwaffen. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass auch diese Gegenstände Waffen sind und schwere Verletzungen bis hin zum Tod verursachen können.
Deshalb ist der vorsichtige und sachgemäße Umgang mit ihnen nach den Vorgaben aus dem Waffengesetz unbedingt notwendig.

Klickbetrug bei Google-Ads

Die hier thematisierte Situation im Rahmen der Google Ads, generell bei pay-per-click (PPC) Werbung, wird auch als Klickbetrug oder Click-fraud bezeichnet. Bezüglich des Klickbetrugs wird insb. auf das UWG als verletztes Gesetz abgestellt. Neben der daraus folgenden Wettbewerbswidrigkeit ist auch das Verhältnis zu bürgerrechtlichen Vorschriften, daraus resultierenden Ansprüchen und evtl. strafrechtlichen Konsequenzen darzustellen, um in Betracht kommende juristische Schritte einschätzen zu können:

Im Jahr 2005 wurde insb. auf § 4 Nr. 10 UWG a. F. abgestellt (Kaufmann, MMR 2005, XV):

  • Dieser Tatbestand des Mitbewerberschutzes ist seit der letzten Novelle inhaltsgleich in § 4 Nr. 4 UWG enthalten. (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Fedderse, UWG, 40. Auflage 2022, § 4 Rn. 0.1)
  • § 4 Nr. 4 UWG beschreibt explizit, dass die gezielte Behinderung eines Mitbewerbers ein unlauteres Handeln darstellt.

Voraussetzungen für unlauteres Handeln i. S. d. § 4 Nr. 4 UWG:

  • Für die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 4 UWG muss zunächst eine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 I Nr. 2 UWG vorliegen. Ein Verhalten muss darauf abzielen, durch „Einwirkung auf die wettbewerblichen Interessen von Mitbewerbern den eigenen Absatz oder Bezug zu fördern“ (Köhler, § 4 Rn. 4.4)
    • Genau darauf zielt ein Klickbetrug ab. Die eigene Werbeanzeige kann nun z.B. ohne Konkurrenz veröffentlicht werden oder die Kosten verringern sich.
  • Ein Mitbewerber ist nach § 2 Nr. 4 UWG „jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht“.
  • Eine Behinderung i. S. d. UWG meint die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten wie Absatz, Werbung, Finanzierung etc. eines Mitbewerbers (vgl. BGHZ 148, 1= GRUR 2001, 1061 (1062); BGH GRUR 2002, 902 (905).
  • Letztlich muss noch das Tatbestandsmerkmal „gezielt“ erfüllt sein.
    • Demnach ist die Behinderung grds. dann „gezielt“, wenn sie primär auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung gerichtet ist. (vgl. BGH GRUR 2007, 800 Rn. 23).
    • Für das Merkmal der gezielten Behinderung bedarf es auch einer Verdrängungsabsicht, wonach der konkrete Mitbewerber in dessen Marktstellung geschwächt werden soll. Zwar kann die Feststellung dieses subjektiven Merkmals schwierig sein, doch wird vom Vorliegen ausgegangen, wenn „die Maßnahme ihrer Natur nach keinen anderen Zweck als den der Verdrängung oder Schwächung des Mitbewerbers haben kann“ (Köhler, § 4 Rn. 4.9; so auch BGH WRP 2015, 714 Rn. 17). Also wenn die Maßnahme selbst nur wirtschaftliche Nachteile in Form von Kosten verursacht, welche erst ausgeglichen werden können, wenn die Beeinträchtigung des Mitbewerbers eingetreten ist (vgl. OLG Hamm GRUR-RR 2020, 523 Rn. 7).
      • Genau nach diesem Prinzip funktioniert das System des Klickbetrugs. Denn erst, wenn z.B. das Tagesbudget des Konkurrenten für Klicks erreicht ist und damit seine wettbewerbliche Entfaltung beeinträchtigt ist, gleicht sich der Aufwand durch bessere, günstigere, etc. Anzeigeplätze aus.
    • Daneben kann eine gezielte Behinderung auch dann vorliegen, wenn die Maßnahme zwar auch der eigenen Absatzförderung o. Ä. dient, aber dies durch eine unangemessene Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers erreicht werden soll. (vgl. Köhler, § 4 Rn. 4.10)
  • Zu erwähnen ist jedoch auch, dass § 4 Nr. 1 UWG gegenüber § 4 Nr. 4 UWG als die speziellere Norm anzusehen ist. Ein gleichzeitiges oder alternatives heranziehen von § 4 Nr. 4 UWG ist jedoch unschädlich. (Köhler, § 4) Auf die speziellere Norm § 4 Nr. 1 UWG (§ 4 Nr. 7 UWG a. F.) wurde jedoch ohnehin in dieser Konstellation nicht abgestellt.

Situation bei Klickbetrug:

  • Ein Click-fraud erfolgt allein und ausschließlich aus dem Grund, den Mitbewerber aus der Trefferliste am Bildschirmrand zu verdrängen. Andere Gründe für den Einsatz von Skripten, die automatisch auf die mit dem Link zum werbenden Unternehmen versehenen AdWords klicken, sind nicht ersichtlich. Mit einem Klickbetrug will der Betreiber ausschließlich den Mitbewerber an der Kontaktaufnahme mit potenziellen Kunden hindern, sodass die Behinderung die eigentliche und finale Motivation ist.
  • Dieser Klickbetrug stellt wettbewerbsrechtlich eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern gemäß § 4 Nr. 4 UWG dar. Dabei ist es auch irrelevant, ob der Wettbewerber dadurch selbst in der Trefferanzeige steigt oder nicht. Es geht um die bloße Behinderung. (vgl. dazu Kaufmann, MMR 2005, XV (zu damaligem § 4 Nr. 10 UWG a. F.))
    • Der betroffene Mitbewerber (§ 8 III Nr. 1 UWG) hat bei einem Verstoß gegen § 3 I iVm § 4 Nr. 4 UWG insb. Ansprüche aus §§ 8, 9 UWG (insb. Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche). Der Inhaber eines Unternehmens haftet nach § 8 II UWG auch für seine Mitarbeiter und Beauftragten. (Köhler, § 4 Rn. 4.8 f.)
    • Eine automatische Unwirksamkeit von Folgeverträgen nach §§ 134, 138 BGB folgt daraus nicht. (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 40. Auflage 2022, § 3 Rn. 10.2 ff.) Soweit möglich kann Schadensersatz nach § 249 I BGB, zumindest jedoch der entgangene Gewinn nach §§ 251 I, 252 BGB, verlangt werden. (vgl. Köhler, § 4 Rn. 4.219f.)
  • Erwähnenswert ist auch, dass Google in seinen AGB jede künstliche Erhöhung von Klickzahlen untersagt, weshalb sich zwischen dem „Betrüger“ und Google auch vertragsrechtliche Folgen ergeben können.
  • Daneben können auch §§ 823ff. BGB relevant sein:
    • Bei unternehmensbezogenen gezielten Beeinträchtigungen ist i. d. R. neben den obigen Ansprüchen aus dem UWG auch ein Tatbestand der §§ 823 BGB ff., insb. des § 826 BGB, erfüllt. (vgl. dazu auch Kaufmann, MMR 2005, XV; ähnlich auch Mankowski, in: Fezer/Büscher/Obergfell, UWG 3. Auflage 2016, Rn. 82) Denn zwischen UWG und § 826 BGB besteht Anspruchskonkurrenz. (vgl. Teichmann, in Jauernig, 18. Auflage 2021, § 826 Rn. 3) Insoweit gelten dann die Verjährungsfristen nach §§ 195, 199 BGB. (vgl. Köhler, § 4 Rn. 4.23)
    • Solange kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht nach § 823 I BGB vorliegt, sind die §§ 823ff. BGB neben § 4 Nr. 4 UWG anwendbar. Denn ansonsten ist der bürgerrechtliche Unternehmensschutz subsidiär zum UWG. (Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 3 Rn. 10.7)
    • Aber § 3 und § 7 UWG stellen keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 II BGB dar. (so Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 3 Rn. 10.9)

Darüber hinaus strafrechtliche Konsequenzen?

  • In der Regel ist durch den Klickbetrug auch § 263a StGB erfüllt, da kein Mensch, sondern ein Computerprogramm getäuscht wird und dieses Programm durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflusst wird. Durch die Manipulation des Abrechnungssystems wird wiederum das Vermögen eines anderen beschädigt.
  • Die grundsätzliche Möglichkeit eines Computerbetrugs wurde z.B. vom LG Frankfurt/Oder im Urteil vom 10.01.2005 – 12 O 294/04 dargestellt.
  • Bislang gibt es kein Gerichtsurteil zur ausdrücklichen Einstufung eines Klickbetrugs als Computerbetrug i. S. d. StGB. Sofern der Klickbetrug auf die Verdrängung bzw. Schädigung eines Kollegen abzielt, stellt sich einzig die Frage, ob der Mitbewerber in der Absicht handelt, sich unmittelbar einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. (vgl. dazu z.B. Perron, in: Schönke/Schröder, StGB 30. Auflage 2019, § 263a StGB Rn. 26 ff.)

Fazit:

Es kommen also Ansprüche aus dem UWG und ein Anspruch nach § 826 BGB in Betracht. Klickbetrüge sind wettbewerbswidrig und es kann Schadensersatz verlangt werden. Hinsichtlich des „Täters“ sind auch strafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen.

Schwieriger dürfte sich letztlich das Ausfindigmachen des „Klickbetrügers“ darstellen. Zwar hatte Google im Jahr 2006 in den USA einem Vergleich zugestimmt und von Klickbetrug betroffene Unternehmen selbst entschädigt. (Kaufmann, MMR 2006, IX) Dies wird aber wohl kaum in jeder Konstellation unproblematisch zu erreichen sein.

Milch von glücklichen Kühen?

Das OLG Nürnberg entscheidet, wann Milch als „Weidemilch“ bezeichnet werden darf.

Weidemilch ab wieviel Prozent Weidezeit?
Wann ist Milch „Weidemilch“? Wann sind Kühe glücklich? Manchmal haben unsere Gerichte über Dinge zu entscheiden, die einen schmunzeln lassen. Wie gern hätte man die Diskussion der Richter des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg mitgehört.

Ein Wettbewerbsverband verklagte einen bundesweit als Discounter tätigen Händler von Milch und Milchprodukten. Auf der Milchpackung warb er mit der Aufschrift „Frische Weidemilch“. Auf der Rückseite der Verpackung fand sich der Hinweis: „Bei diesem Produkt handelt es sich um 100% Weidemilch. Unsere Weidemilch stammt von Kühen, die mindestens 120 Tage im Jahr und davon mindestens 6 Stunden am Tag auf der Weide stehen.“.

Weidemilch nur im Sommer?
Schnell stellte sich heraus, dass jeder etwas anderes unter dem Begriff „Weidemilch“ zu verstehen schien. Der klagende Wettbewerbsverband war der Meinung, es handele sich um ein Saisonprodukt. Nur während des Zeitraumes von 120 Tagen handele es sich um Weidemilch. An den restlichen Tagen im Jahr bekämen die Kühe keine Weide zu sehen.

Die Richter des Landgerichts Amberg schienen ähnlicher Meinung zu sein. Sie entschieden im erstinstanzlichen Urteil, dass es sich nur dann um Weidemilch handele, wenn die Kühe am Tag der Melkung mindestens 6 Stunden auf der Weide verbracht hätten. Gerade in Deutschland aber scheint dies doch etwas theoretisch. Wenn nun im Sommer eine Kaltfront hereinbricht, ist die Milch an diesen Tagen, die die Kühe nicht auf der Weide verbringen können, keine Weidemilch? Klingt nach großem Aufwand für die Hersteller.

Weidemilch auch im Winter?
Die Vertreiber hatten sich mit ihrer Definition an Vorgaben des niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz orientiert. Darin fand sich eben diese 120-Tage Regelung wieder. Die Richter des Oberlandesgerichts entschieden nun, der Begriff sei jedenfalls rechtlich nicht definiert.

Indem sich der Vertreiber aber an die Vorschriften des Ministeriums gehalten hatte, sei diese Bezeichnung jedenfalls per se nicht irreführend. Weiterhin finde sich schließlich auf der Rückseite der Verpackung eine genaue Beschreibung, was man unter dem Begriff verstehe. Selbst wenn im Volksmund von einem Saisonprodukt ausgegangen werde, sei doch die Werbung auf der Verpackung jedenfalls nicht geeignet, den Verbraucher in die Irre zu führen.

Auch Brüssel hat eine Meinung
Diese Bezeichnung entspreche im übrigen auch den europäischen Vorgaben, so die Richter. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) müsse die Verpackung einen Hinweis enthalten, der die Zusammensetzung der Erzeugnisse genau erläutere. Dies sei durch die Definition des verwendeten Begriffs „Weidemilch“ geschehen.

Darüber hinaus verneinten die Richter ohnehin die Verantwortlichkeit des Discounters für die Bezeichnung auf der Milchpackung. Dieser sei lediglich Händler des Produkts. Als solche sei er nur verpflichtet solche Informationen zu unterlassen, von denen er im Rahmen seiner Tätigkeit als Händler weiß, dass sie falsch sind.

Mehr Informationen zum Werberecht finden Sie unter:
https://www.rosepartner.de/werberecht.html


Autor:
ROSE & PARTNER LLP.
Rechtsanwalt Dr. Bernd Fleischer
eMail: rose@rosepartner.de
Webseite: https://www.rosepartner.de

Gemeinsamer Mietvertrag und dann kommt die Scheidung – Anspruch auf Entlassung aus Mietverhältnis auch bereits vor der rechtskräftigen Scheidung?

Ein Ehegatte kann bereits nach der endgültigen Trennung, aber vor Rechtskräftigkeit der Scheidung verlangen, dass sein Noch-Ehegatte an einer Erklärung mitwirkt, die dem Vermieter ein Ausscheiden nach der Scheidung aus dem Mietverhältnis anzeigt. Der betroffene Ehegatte müsse, nach Ansicht der Richter am Oberlandesgericht Hamm, nicht erst die Rechtskräftigkeit der Scheidung abwarten. Von einer solchen Mitwirkungspflicht könne es auch nicht abhängen, dass die Ehegatten sich zuvor über die Verteilung der das Mietverhältnis betreffenden Kosten geeinigt haben.

Gesetzliche Grundlage bei Scheidung
Ist ein Mietvertrag zwischen beiden Ehegatten geschlossen und will nach der Scheidung keiner die Wohnung weiterhin nutzen, müssen beide Ehegatten den Mietvertrag kündigen. Ein Ehegatte allein kann dies nicht wirksam vollziehen. Will dagegen einer der Ehegatten auch nach der Scheidung noch in dem Mietobjekt weiter wohnen und ist eine entsprechende Einigung darüber getroffen worden, dann ist zu klären, ob der Vermieter mit dieser Regelung einverstanden ist. Grundsätzlich muss eine dafür nötige Vertragsänderung während der Trennungszeit von beiden Ehegatten gemeinsam mit dem Vermieter getroffen werden.

Zu beachten ist allerdings, dass beide Vertragsparteien so lange gegenüber dem Vermieter in der Verantwortung bleiben, bis eine Vertragsänderung vorgenommen wurde und beispielsweise einer der Ehegatten aus dem Mietvertrag entlassen wird.
Streitigkeiten bei Auszug

In dem genannten gerichtlichen Verfahren mussten die Richter entscheiden, ob einem Ehegatten nach der Trennung, aber vor der rechtskräftigen Scheidung, ein Anspruch auf Anzeige seines Ausscheidens aus dem Mietverhältnisses zusteht. Die Ehegatten waren 2011 in eine gemeinsame Wohnung gezogen. 2013 kamen dann die endgültige Trennung der Eheleute und der Auszug des Ehemannes. Fortan bewohnte die Ehefrau die Mietswohnung allein mit den gemeinsamen Kindern. Im Januar 2015 stellte der Noch-Ehemann klar, dass er mit Rechtskraft der Scheidung aus dem bestehenden Mietverhältnis ausscheiden wolle und forderte seine Ehefrau auf, eine entsprechende Erklärung beider Ehegatten dem Vermieter gegenüber anzugeben. Dies unterließ die Ehefrau mit dem Hinweis auf noch ausstehende Entscheidungen, inwieweit der Ehemann an Renovierungsarbeiten eines beschädigten Bodens und der Nebenkostenzahlungen beteiligt sein werde.

Erst im Oktober 2015 gab die Ehefrau die begehrte Erklärung gegenüber dem Vermieter ab, allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Ehe bereits seit September rechtskräftig geschieden.

Der 12. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm hatte nun also – nachdem sich das ursprüngliche Begehren des Ehemannes erledigt hatte – noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Kostenentscheidung zum Nachteil der Ehefrau
Die folgende Kostenentscheidung der Richter ging zum Nachteil der Ehefrau aus. Nach Auffassung des Gerichtes konnte der Ehemann auch schon vor der rechtskräftigen Scheidung eine derartige Erklärung der Ehefrau an den Vermieter verlangen, zumal die Parteien sich schon zu diesem Zeitpunkt darüber einig waren, dass die ehemals gemeinsame Wohnung in Zukunft von der Ehefrau und den Kindern weiterhin bewohnt werden sollte.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung vor allem mit den möglichen finanziellen Gefahren des Ehemannes Scheidung der Ehe. Er habe ein berechtigtes Interesse daran, keinen finanziellen Belastungen nach der Scheidung aus dem Mietverhältnis ausgesetzt zu sein, wie beispielsweise durch Mietzinsansprüche des Vermieters für die Zeit nach dem Auszug. Diese bestünden nämlich gegen den Ehemann solange weiter, bis er endgültig aus dem Mietverhältnis entlassen sei.

Letztlich sei es dem Ehemann nicht zuzumuten, seinen Anspruch auf Mitwirkung seiner Ex-Ehefrau an der Entlassung aus dem Mietverhältnis erst nach Rechtskraft der Scheidung geltend machen zu können.

Der Fall zeigt anschaulich, dass sich Scheidungsanwälte, die Ehegatten während einer Trennung begleiten, nicht nur mit Fragen des Unterhalts und Zugewinns auseinandersetzen müssen. Auch gemeinschaftliche Schuldverhältnisse, wie vorliegend der Mietvertrag, gilt es zu prüfen und zu regeln.

Weiter Angaben zum Thema finden Sie unter:
https://www.rosepartner.de/familienrecht/scheidung-scheidungsanwalt.html


Autor:
ROSE & PARTNER LLP.
Rechtsanwältin Sybill Offergeld
eMail: rose@rosepartner.de
Webseite: https://www.rosepartner.de