Mehr Öffentlichkeit im Gericht

Das neue Gerichtsverfassungsgesetz ermöglicht mehr Zugang der Medien.
Ein neues Gesetz der Bundesregierung gibt den Medien künftig mehr Raum im Gerichtssaal. Sie wären gern dabei gewesen, als Kachelmann vor Gericht seine Unschuld beteuerte? Oder als Uli Hoeneß eine Gefängnisstrafe bekam? Tja, dann haben wir gute Nachrichten: In Zukunft können Sie das vielleicht auf Ihrem Fernseher verfolgen!

Bisherige Rechtslage
Grundsätzlich gilt in Deutschland der Grundsatz der Öffentlichkeit. Ein Gerichtssaal ist mit einem Zuschauerraum ausgestattet. Jeder kann diesen nutzen und an Gerichtsverhandlungen teilnehmen, die ihn interessieren. Dadurch galt das Informationsinteresse des Einzelnen bisher als gewahrt. Nur ausnahmsweise, wenn es um Details der Intimsphäre eines Betroffenen geht oder wenn Jugendliche oder Kinder am Verfahren beteiligt ist, konnte die Öffentlichkeit unter hohen Voraussetzungen ausgeschlossen werden.

In Deutschland ist eine Übertragung von Gerichtsverhandlungen bisher nicht möglich. Das seit über fünfzig Jahren geltende Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) erschwert eine Berichterstattung der Medien. Zum einen sollen dadurch die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten geschützt, eine soziale Ächtung vermieden werden. Aber auch einer Beeinflussung der Entscheidung der Richter soll vorgebeugt werden.

Die Zukunft kommt – auch in’s Gericht!
Das neue Gesetz gilt für alle Zivil- und Strafgerichte, aber auch für Sozial-, Arbeits- und Finanzgerichte. Neben Erleichterungen etwa für Gehörlose, die in Zukunft den Einsatz von Gebärdendolmetschern im gesamten Verfahren ermöglichen, trifft es Änderungen vor allem bezüglich des Einsatzes von Medien. Die Bundesregierung begründet diese vor allem mit dem gewandelten Medienverständnis.

Es soll künftig bei Verfahren von besonderem öffentlichen Interesse möglich sein, das Verfahren in einen gesonderten Raum zu übertragen, in dem Medienvertreter dem Geschehen folgen können. Denn häufig waren bisher die Besucherräume in bestimmten Verhandlungen zu klein, um alle unterzubringen.

Wer begrenzt die Macht der Medien?
Weiterhin soll bei Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung eine Aufzeichnung der Verhandlungen möglich sein. Wann dies anzunehmen ist, wird sich im laufe der Zeit durch die Rechtsprechung entwickeln. Man denke zuerst an Verfahren gegen hochrangige Politiker oder NSU-Prozesse.

Richter entscheiden selbst
Auch die Verkündungen der Urteile der obersten Gerichtshöfe sollen künftig in den Medien übertragen werden können. Die Richter selbst erhalten die Befugnis, eine Übertragung zuzulassen. Dabei entscheiden sie einzelfallabhängig. Eine Anfechtung ihrer Entscheidung ist nicht möglich, damit eine Verzögerung des Verfahrens ausgeschlossen werden kann.

Gerade in Zeiten, in denen Bundespräsidenten, Finanzmärkte und Staatshaushalte von medialer Panikmache vernichtet werden können (oder durch sie Psychopathen zu Staatsoberhäuptern werden) sollte man den medialen Einfluss vielleicht doch eher verkürzen, als ihn auszuweiten. Dem Gesetz kann man daher durchaus auch kritisch gegenüber stehen.

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Autor:
ROSE & PARTNER LLP.
Boris H. Nolting
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